GMO – Kurioses Mahjong Turnier in Bad Zwischenahn

Gigantische Steine, schier endlose Runden und kleinliche Mitspieler. Wenn ich es drauf anlegen wollte MCR schlechtzureden, wären dies wohl die ersten Argumente die mir nach der German Mahjong Open in Bad Zwischenahn in den Sinn kämen. Andererseits habe ich noch auf keinen Riichi Turnier so viel Gelächter; und vor allem Anerkennung für die Leistung der Gegner vernommen wie auf diesem – meinem ersten MCR-Turnier.

MCR Tische und Steine sehen etwas anders aus. Und sind viel größer.

Mahjong Competetive Rules – kurz MCR spielt sich ganz anders als Riichi. Nicht nur die Blumen; Sondersteine, die man aussortiert und am Ende im Falle eines Sieges als Bonuspunkte erhält; auch die unzähligen zusätzlichen Gewinnhände (zum Beispiel „reversible tiles“ – eine Hand, die aus Teilen besteht, die auf dem Kopf genau so aussehen, oder „all even“ – eine Hand, die nur aus Teilen mit geraden Zahlen besteht) im Vergleich zu Riichi ließen das Ganze für mich am Anfang als etwas goofy erscheinen. Irgendwie witzig, aber nicht so ganz ernst zu nehmen. Erschwerend kommt die völlig übertriebene Belohnung für Tsumo – ein self-draw verdreifacht jeden erzielten Punkt der Hand. Ganz zu schweigen vom Umsetzen nach je 4 Händen, was grade beim Turnier für ein stetiges Stühlerücken sorgte.

Trotzdem ließ ich mich nach anfänglicher Skepsis darauf ein. Und nachdem Julian mich de facto zum Turnier geschliffen hatte, trainierten wir in den Wochen davor immer mal wieder MCR. Dabei wurde mir der Charm dieses Spielmodus immer bewusster: Viel mehr noch als bei Riichi geht es bei MCR um die eigene Hand, und darum zu erkennen, welche der über 80 verschiedenen Möglichkeiten relevant sein könnten. Dabei geht es oft um einen Balanceakt zwischen zwei extremen: Zu früh einen Weg einschlagen, der sich als Sackgasse herausstellen kann, und nicht entschieden genug einem Weg nachzugehen, sodass jemand anders zuerst fertig wird. Pure straight (iitsu) oder doch mixed? Shifted sequences (234, 345, 456) or sanshoku? All types oder all pungs? Oder doch chicken hand? Vielleicht sogar upper 4? (nur Zahlenwerte 6-9). Möglichkeiten gibt es in MCR mehr als genug.

Nach langer Anfahrt trafen wir uns am Vortag des Turniers – fast schon wie immer – im örtlichen chinesischen Restaurant. Nach dem Essen verwunderten wir noch ein paar andere Gäste als wir im Nebenzimmer ein Mahjong Set ausbreiteten, um uns auf den kommenden Tag einzustimmen. Tatsächlich habe ich bei dieser Turnierreise bisher am wenigsten vom Spielort gesehen, was wohl vor allem daran lag, dass Julian, Yufan und ich gemeinsam in einem Pensionszimmer einquartiert waren, und ich anstelle der Erkundungstouren am Abend mit den beiden weiter Mahjong spielte….

Am Samstag ging es dann unfassbar früh los. Die erste Runde sollte schon um 8:30 starten. Normalerweise wird eine Runde MCR bis zum Ende der Nordrunde gespielt – also 16 Hände. Im Turnier sind dafür 1:50 Stunden angesetzt. Die erste Ostrunde flog trotzdem an mir vorbei, und ich konnte keine einzige Hand gewinnen. Die merkwürdig großen weißen Steine auf den speziellen Tischen verliehen dem Ganzen ein sehr unbekanntes Gefühl. Mit der Südrunde drehte der Wind… Schon am Vortag hatte ich die beiden Runden im Restaurant und im Pensionszimmer gewonnen, und auch im Turnier sah ich auf einmal sehr klar. Jede Hand entwickelte sich gut und ich konnte in den nächsten Runden viele Hände gewinnen, um am Ende gleich meinen erste Runde im MCR-Turnier mit fast 200 Minipunkten abzuschließen. Auch der Rest des Tages verlief unerwartet gut, auch wenn ich die letzten beiden Runden nur als 2. beendete.

Dabei war vor allem die dritte Runde etwas unglücklich, da ich bei weitem die meisten Hände gewann, allerdings gelang einer Mitspielerin ein Suuankou tsumo. 79 Punkte x3. Auf einen Schlag katapultierte sie sich auf den ersten Platz. Dabei sah es zuerst so aus als hätte sie Suuankou – 4 concealed triplets vergessen… Anders als bei Riichi Turnieren, bei denen alle Spieler am Tisch angehalten sind, Fehler und Unterbewertungen zu korrigieren, ist MCR ein extrem raues Pflaster wenn es ums scoring geht. Nachdem die Punkte der Hand angesagt wurden, gibt es keine Chance mehr, etwaige Versäumnisse hinzuzufügen. Einmal gesagt heißt gesagt. Meine Gegnerin startete also mit „all pungs“ (toitoi) als sie ihre suuankou hand zählte. Toitoi ist 6 Punkte wert. Suuankou 64. Für einen Moment sah es so aus, als könnte sie eine der teuersten Hände übersehen. Nach einigen Sekunden berichtigte sie sich dann doch und sicherte sich einen uneinholbaren Vorsprung.
Nach dem ersten Tag mit 4 Runden sah es sehr gut aus für unsere Klubmitglieder: Ich war auf Platz eins, dicht gefolgt von Julian und Junyu, alle mit 12 Tischpunkten. Songqing nur kurz dahinter mit 11. (Erster Platz = 4 Punkte, Zweiter 2, Dritter 1 und Vierter 0).

Punktestand nach Tag 1

Am Abend fanden wir unseren Weg in ein kühles indisches Restaurant. Und natürlich konnten wir der Versuchung nicht widerstehen, in der Unterkunft ein weiteres mal die Steine auszupacken.

Der zweite Turniertag war für mich geprägt von sehr einseitigen Runden. In der Ersten saßen Yufan und ich an einem Tisch mit der Vorjahressiegerin, die gefühlt jede Runde gewann (und tatsächlich die Hälfte aller Hände für sich entschied). Auch am zweiten Tisch dominierte einer der führenden Spieler das Geschehen.

Für Songqing, Junyu und Julian lief der zweite Tag besser. Am Ende sicherte sich Songqing den zweiten Platz hinter Timur. Alle 3 Podestplätze hatten am Ende 20 Tischpunkte. Junyu und Julian beendeten das Turnier in der Top 10.

Die Top 3: Timur, Songqing und Loic

Mich überraschte bei diesem Turnier, wie sehr sich die Zusammensetzung der Teilnehmenden von den Riichi Turnieren unterschied, an denen ich bisher teilgenommen habe. MCR hat schon eine Weile vor Riichi seinen Weg nach Europa gefunden. Folglich war der Altersdurchschnitt der Spieler deutlich höher. Noch auffälliger aber war das Geschlechterverhältnis. Bei der GMO spielten tatsächlich mehr Frauen mit als Männer. Bei unserem Berliner Yakitori Turnier war das Verhältnis eher 1:2.

Nicht unerwartet, aber doch etwas schräg fand ich die Turnieretikette. Nicht nur werden die Punkte umständlich per Hand eingetragen und addiert, einige Spieler konnten kaum abwarten, bis ich fertig war mit rechnen um die Zahlen kritisch zu beäugen… nach jeder Runde. Vergisst eine Spielerin Punkte, so soll man ihr nicht helfen, und sobald die Punktzahl angesagt ist, darf die Zahl nicht mehr verändert werden, auch wenn einem der vergessene Punkt (voided suit oder concealed hand meistens) noch einfallen sollte.

Nach der ersten Runde MCR, die ich je gespielt habe, fand ich es merkwürdig und unattraktiv. Es erschien mir mehr wie eine komplizierte Version von Solitär, mit wenig Interaktion mit den anderen Spielern. Nach meinem ersten MCR-Turnier hat sich meine Meinung aber sehr verändert. Die Suche nach den 8 Punkten gibt jeder Hand einen Reiz, und die unzähligen Möglichkeiten bieten viel Abwechslung. Und auch wenn Riichi mein präferierter Spielmodus bleibt, werde ich auch in Zukunft immer wieder nach shifted chows und pure straights jagen.

5 1 vote
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments